Monatsrückblick April 2023: Zweifel essen die Erfolge

Es gibt da diesen seltsam berührenden Film von Rainer Werner Fassbinder: „Angst essen Seele auf“. Bevor ich den Film mochte, mochte ich bereits den Titel. Nach 15 Monaten und im 2. Jahr meines Business plagen mich immer noch und immer wieder Zweifel. Manchmal sogar mehr als am Anfang, den – meiner Frohnatur entsprechend – nicht nur Zauber, sondern auch bombastischer Optimismus umwogte. Optimistisch bin ich zwar auch immer wieder, unterbrochen aber von den Zweifeln, die zähe Phasen, Rückschritte und Fehler begleiten. Und diese Zweifel können alle Erfolge auffressen. Vielleicht ist ein Monatsrückblick da genau die richtige Medizin.

Frau mit Brille und blauem Kleid in einem Arbeitszimmer mit Bücherwand im Hintergrund.
Auch die neue Lesebrille ließ mich im April nicht klarer sehen

Ein April wie im Dezember – Kein Wetter für mich!

Ich liebe es, draußen zu sein. Und meine täglichen Abläufe an unserem Gutshof bringen das auch so mit sich: Morgens eine große Waldrunde mit Hund und manchmal auch mit Pferd, die Versorgung der eigenen vier Pferde und meiner zwei Einsteller im Nebengebäude, mittags zum Abschalten einen kurzen Spaziergang, nachmittags (wenn nicht schon vormittags) ein kurzes Training oder die Arbeit als Schauspieldozentin an der Akademie, wo ich 6 Stunden aufspringe, um etwas zu zeigen, mich für 3 Minuten hinsetze, um gleich wieder auf die Bühne zu rennen. Ich bin eindeutig kein Sitzer. Ich bin ein Geher. Zusätzlicher Sport? Höchstens Dehnung und Gelenkigkeit abends im Arbeitszimmer, behindert von einem idiotischen Hund, der meine Bodenübungen als Spielaufforderungen missversteht. Und so komme ich – auch im Winter – locker auf 15 – 25.000 Schritte bzw. 4-5 Stunden Outdoor am Tag.

Aber Kälte, Regen, frühe Dunkelheit, die nagen an meiner Fröhlichkeit. Die Koppeln sind vermatscht und ziehen mir die Gummistiefel von den Füßen, die Heunetze trage ich mit zusammengekniffenen Augen scheinbar immer gegen den Wind und der Regen findet nach einer Weile immer den Weg durch meine Kleidung hindurch auf die Haut. Mein Tag beginnt um 6.30 outside und endet um 22 Uhr nach der letzten Hunde-Pipi-Pferde-Versorgungsrunde jeweils immer mit Stirnlampe auf dem Kopf, denn die Hände tragen und streicheln etwas oder suchen Wärme in den Manteltaschen. Deswegen freue ich mich nicht nur auf das Frühjahr, sondern lebe ihm entgegen.

Und der Frühling sollte im April da sein. Ja, nicht zuverlässig jeden Tag, aber meistens … oft … ab und zu. War er nicht! Es war saukalt, es regnete aus Kübeln und die Sonne zeigte sich nur, um gleich wieder Schneeregen Platz zu machen. Ich kann mich aber – nein, nicht aus meiner Kindheit – an Aprils erinnern, in denen ich in kurzen Ärmeln lebte, in Turnschuhen und mit einem Lächeln im Gesicht. Solche tiefsitzenden Erinnerungen führen dazu, dass ich meine Workshopsaison für Präsenz- und Führungstraining jedes Jahr im April starte. Weil der Winter ja so lang war, weil ich diese Arbeit liebe – und meiner Erinnerung jedes Mal wieder auf den Leim gehe.

Ich hatte also Wochen zuvor einen Kurs (für Schauspielschüler der Athanor Akademie) vom 1. – 4. April terminiert. Das war schon der zweite Workshop in diesem Jahr. Denn im März hatte ich eine Ausnahme gemacht und 2 Tage für Masterstudierende der Karlshochschule im Rahmen eines Leadership-Seminars von Dr. Angelica V. Marte HorsePowerLeadership-Training gegeben. Und ja, da war es natürlich kalt. Aber im April eben auch. Wir trainierten mit Mütze, Schal und Handschuhe, umtost von Mini-Schneestürmen und Regen, ungetröstet von einer kalt lächelnden Sonne. Nach 6 Stunden Bewegung „an der frischen Luft“ war ich abends stehend k.o. In der heißen Wanne taute ich mich auf und krabbelte an jedem Tag früher ins Bett.

An dieser Stelle daher eine schriftliche Memo an mich: KEINE Trainingskurse vor … sagen … wir dem 20. April! Nicht verleiten lassen, nicht einknicken – durchhalten!

Sich schlängelnder Waldweg im Nebel
Es sieht nett aus, aber Mitte April und um 7 Uhr sind es 3 Grad!

Ein kleiner Medienrummel

Aber dieser April-Kurs wurde zu einem Medienspektakel. Na ja, für meine Verhältnisse und für die niederbayerische Abgeschiedenheit meines Standortes. Die Passauer Neue Presse war da, vertreten von einer pferdeerfahrenen und -verrückten Journalistin, die gleich mit meinem Andrej anbandelte. Der fand sie „süß“ und wollte sie behalten. Am 11. April erschien dann eine halbe Seite groß der Artikel über den Einsatz von Pferden in der Schauspielausbildung. Das hatte einige Anfragen und Kontakte gebracht – und ich werde im Bio-Supermarkt an der Käsetheke darauf angesprochen. Jetzt rieche ich nicht einfach nur nach Pferd, sondern habe eine Mission: Die Präsenz künftiger Schauspieler.

Einen Tag später kam dann der BR und filmte das Training für die Abendschau am 17. April. Diesmal war Galeon der Protagonist. Er hat – in seiner sehr sensiblen Art – demonstriert, wie unwichtig der präsenzsuchende Mensch zunächst mal sein kann, indem er sich für alles interessierte, nur nicht für Jasmin. Aber beharrlich und einfühlsam eroberte sich meine Schülerin seine Aufmerksamkeit, Gefolgschaft und – zum Schluss – die Zuneigung von Galeon. Ihr mag es vorgekommen sein wie eine Ewigkeit. In Wahrheit waren es 15 Minuten Arbeit an der eigenen Klarheit, am Ausdruck des Körpers, an verständnisvoller Führung, an Grenzen setzen und an Ver-Führung zur Mitarbeit – dann war mein Sensibelsten gewonnen. Den Fernsehbericht kannst du hier in der Mediathek des BR nachschauen.

Angestachelt von meiner medialen Berühmtheit meldet sich nun auch das online Pferdemagazin pferde.de bei mir mit dem Wunsch nach einem Interview. Das ist aber noch nicht erschienen, weil andere aktuelle Themen Vorrang haben: Mückensaison, Anweiden, Fohlengeburt und Fellwechsel. Wie auch immer – so viel Presse hatte ich noch nie in einem Monat. Der einzige Artikel über meine Arbeit, der zuvor je geschrieben wurde, ist aus dem Jahr 2020, als die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch aus Berlin ein paar ihrer Studierenden zu mir entsandte für einen 4-Tages-Workshop im sommerlich heißen August (hier zum Nachlesen).

Ob diese Medienpräsenz nachhaltig etwas gebracht hat? Keine Ahnung, dafür ist es erst zu kurz her. Eher nichts, würde ich sagen. Ich war stolz darauf, dass mein Jüngster anerkennend sagte: „Hey, bist voll die Media-Mum!“ und erleichtert, dass der mich beim Einkaufen umwehende Pferdeduft nun eine Art tiefere Rechtfertigung besitzt – ansonsten war’s das aber auch schon.

Zeitungsartikel

Zweifel, Mißtrauen und der Rest

Und damit wären wir auch schon da: Mein April war auch innerlich eine Eiszeit. Mich plagten Zweifel aller Art. Wie erreiche ich meine Wunschkundinnen (ich fokussierte mich immer stärker auf LinkedIn – auch wegen des Umgangstons und dem Wunsch nach B2B für mein Angebot)? Welche Art der Sprache und der Bilder erreicht die richtigen Menschen (inzwischen kürze ich meine Sätze und meine Ironie)? Gebe ich zu viel kostenlos raus? Sind meine Angebote zu teuer? Oder einfach nicht attraktiv genug? Was fehlt? Was ist zu viel? WAS IST RICHTIG? Ich war das Experimentieren leid. Zumal die Resultate widersprüchlich waren.

Und dann kam noch etwas hinzu, was mich phasenweise wirklich frustrierte. Meine Webinare, Posts und Newsletter bekamen sehr viel Anerkennung in Form von Kommentaren, Testimonials und Antworten – aber sie brachten kaum Kunden. Mich beschleicht ein blöder Gedanke: ist überschwängliches Lob eine Art zu sagen „Verzeihung, dass ich dich nicht buche.“? Denn je mehr Enthusiasmus und Wirbel nach außen, desto stiller wurde es in meinen Verkäufen. Und das Schlimmste daran ist, dass ich das Gefühl habe, einen entscheidenden Fehler zu machen. Ich verschwende meine Zeit und meine Inhalte kostenlos und scheine damit meinen Wert in den Augen vieler zu untergraben. Und nachdem man kostenlos zugegriffen hat, fühlt man sich genötigt, etwas besonders Nettes zu sagen… Mit anderen Worten: Mißtrauen und Selbstzweifel haben mir jede Anerkennung schal werden lassen und (angebliche) Erfolge in meinen Augen zunichte gemacht.

Das fühlt sich gerade nicht gut an. Ich merke, dass ich nicht mehr ohne Skepsis arbeite, wo doch mein fröhlicher Optimismus bisher meine Geheimwaffe war. Jetzt kommt er mir dilettantisch vor. Was mache ich nun damit? Ich nehme mir etwas mehr Zeit für alles, was mich glücklich macht: Ausritte mit meinem Fels in der Brandung (Andrej, mein Pferd, auf dessen Loyalität Verlass ist), ein Buch lesen, das nichts mit Business zu tun hat, im Wald sitzen und meinem Hund Jim dabei zusehen, wie er das Leben schön findet.

Vielleicht erlebe ich mein erstes richtiges Frust-Tal und sollte ruhig warten, dass es vergeht. Vielleicht sollte ich meine Analyse scharfsinniger vorantreiben und etwas ändern. Sicher sollte ich durchatmen. Atmen ist das Wichtigste, um nicht an seinen Zweifeln zu ersticken.

Weiß blühender Baum auf einer Wiese
Atmen unter einem Baum, der behauptet, dass bald alles anders aussieht.

Was im April 2023 sonst noch los war

  • Am 17. April ist meine Tochter Lea wieder ins Ausland aufgebrochen. Diesmal nach Luxemburg. Ich vermisse sie und freue mich schon auf ihre Rückkehr im Sommer.
  • Die Endvorbereitungen für meine nächste Theaterproduktion kommen in die heiße Phase. Am 26.05. ist Premiere.
  • Trotz lausigem Wetter kündigt sich am Alten Gutshof der Frühling an: alles beginnt zu blühen und helles Grün schießt überall hervor. Ich lebe in einem niederbayrischen Dschungel-Paradies.
  • Ich mache meine Umsatzsteuer-Voranmeldung selbst. Das ist ein Sieg über meine Finanzamtsphobie und Bürokratieallergie!
  • Nasch 15 Jahren habe ich eine neue Lesebrille! Kein Spiegeln mehr, wenn ich Webinare halte und – ach ja – lesen kann ich endlich alles, was lesenswert ist (meine Notizen zum Beispiel).
Im Vordergrund eine Frau mit entblößter Schulter und Jesuskreuz in der Hand. Im Hintergrund ein Mann im weißen Hemd, der in die Kamera schaut.
Probenfoto aus der Produktion „Strange Beings“

Meine April-Blogbeiträge in 2023

Nur drei Blogartikel im April. Im Mai werden es wohl auch nicht mehr (wegen der Premiere), aber im Sommer, da ganz bestimmt. Trotzdem, sie sind gut geworden. Die Sätze kürzer, der Inhalt immer noch (oder sogar immer mehr): Ich.

Wenn du auch zum Medienstar avanciert bist oder ein tiefes Tal der Zweifel durchwanderst oder beides gleichzeitig … oder wenn du aufmunternde Worte findest oder eine Rat weißt … oder ganz einfach etwas kommentieren möchtest: ich freue mich darüber.

Your email address will not be published. Required fields are marked

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}