Wie ich wurde, was ich bin: Mein Weg zur Präsenz- und Vortragstrainerin

Als Kind wollte ich zum Zirkus. Ich stellte mir vor, wie ich mit Elefanten, Raubtieren oder Pferden Kunststücke vorführe, immer von Ort zu Ort ziehe und jeden Nachmittag den Duft der Sägespäne und der wilden Tiere atme. Später dann: Schauspielerin. Tausend Leben leben und natürlich großer Applaus. Als junge Erwachsene spielte ich mit dem Gedanken, Journalistin zu werden und (romantisch) unter Einsatz meines Lebens aus Krisengebieten zu berichten. Und dann kam alles ganz anders. Zuerst nicht so sehr, später aber immer mehr …

  1. 12.07.1968: Mein Familienerbe ist THEATER. Meine Eltern waren beide Theatermenschen. Mein Vater, David Esrig, war in Rumänien ein bekannter Theaterregisseur und meine Mutter arbeitete als Dramaturgin für Theater und im Kultusministerium. Unser Haus wimmelte immer von Schauspielern, von Bühnenbildner, Autoren, Dichter und Maler. Die einzigen Themen, an die ich mich erinnere, waren die Inszenierungen meines Vaters, die Proben, Aufführungen, Kritiken und alle damit verbundenen Ärgernisse und Erfolge. Es schien kaum etwas anderes auf der Welt zu geben, das es wert war, besprochen oder auch nur beachtet zu werden.
Elma als kleines Mädchen von 3 Jahren in Bukarest (Rumänien).
Ich mit 3 Jahren (1971) in Bukarest (Rumänien)
  1. 1972: Ich werde aus Rumänien in den goldenen Westen geflohen. In Rumänien regierte in meiner Kindheit der kommunistische Diktator, Nicolae Ceausescu, der – wie alle Diktatoren – immer massiver auch auf die Künste des Landes Einfluss nahm. Während es im Rumänien der 50er und 60er Jahre unglaublich interessante und freie Entwicklungen gegeben hatte, wurde das Klima nach 1970 immer mehr von Zensur und Verboten vergiftet. Als meinem Vater Anfang der 70er Jahre nach einer Theateraufführung (Shakespeares Sturm) auch noch die ein Spielfilm verboten wurde, blieb er auf einer Tournee nach Frankreich in Paris und kehrte nicht mehr zurück. Meine Mutter glaubte, sie würde ihn mit mir als damals Vierjährige lediglich besuchen und kam mit zwei Koffern bei ihm an, als er ihr eröffnete, dass wir alle nunmehr als freie Bürger (und Künstler) im Westen bleiben würden. Mit diesem „Schock“ begann eine turbulente Zeit für mich und meine Familie.
Meine Mutter und ich (als Vierjährige) im Paris der 70er Jahre.
Mit 4 Jahren: Ankunft in Paris und Beginn unserer Umzugsreise
  1. 1972 – 1988: Mein theatralisches Nomadenleben: von Frankreich nach Deutschland, in die Schweiz und wieder zurück nach Deutschland. Die Gastinszenierung, die mein Vater in Paris am Théâtre du Chaillot zeigte, war nach einigen Wochen abgespielt. Seine Schauspieler kehrten ins kommunistische Rumänien zurück und wir zogen bald weiter nach Deutschland, genauer gesagt nach Bremen. Dort erhielt mein Vater seinen ersten Vertrag als Regisseur an einem deutschen Theater. Ich wurde dann 1974 eingeschult, aber gleich ging es weiter nach München, dann nach Bern in der Schweiz, dann wieder zurück nach Deutschland. In Essen waren wir mit einer Zeitspanne von vier Jahren am längsten „sesshaft“ (und mein Vater dort Regisseur und Intendant). Dann wieder weiter und zurück nach München, wo ich schließlich auf meiner 8. Schule das Abitur machte. Diese Zeit war mehr als aufreibend für mich: kaum hatte ich mich eingelebt und gerade mal so neue Freunde gefunden, schon ging es weiter in ein anderes Land, in eine neue Stadt zumindest, in eine neue Schule …
Ich mit 13 Jahren an einem See in der Schweiz mit Bergen im Hintergrund.
Mit 13 Jahren in der Schweiz
  1. 1988 – 1993: Die neue Sucht: Philosophie. In München blieben wir endlich länger. Ab 1984 arbeitete mein Vater als freier Regisseur und wir konnten das Wanderleben (für eine Weile) beenden. Nach dem Abitur hatte ich zunächst keine Ahnung, was ich beruflich machen wollte. Journalismus war die erste Idee, aber nach einem Kurzpraktikum bei einer Tageszeitung merkte ich: das ist nicht das, was ich will. Also entschied ich mich nicht für einen Beruf, sondern für ein Studium, das mich interessierte. Es war das Studium an der Hochschule für Philosophie München. Ein Treffer, ein Glücksgriff und die erste selbstbestimmte Weiche meines Lebens. Nie werde ich die erste Vorlesung bei dem späteren Betreuer meiner Magisterarbeit, Pater Haeffner S.J., vergessen. Unseren erwartungsvollen Gesichtern verkündete er: Philosophie macht das Leben nicht schöner. Sie macht das Leben „schwerer“, sie gibt ihm nämlich Gewicht. Und so war es auch. Dieses Gewicht aber hat – das sagte er nicht, ich entdeckte es bald selbst – seine ganz eigene „Schönheit“.
  2. 1995ff.: In die Fußstapfen des Vaters als Schauspiel- und Regiedozentin. Nach dem Magister wollte ich weiter studieren. Aber München war teuer und das Stipendium, das mir (zusammen mit 1 – 2 Nebenjobs) ein luxuriöses Studentenleben ermöglicht hatte, war beendet. Also begann ich – parallel zu meinem Doktorantenstudium – an der von meinem Vater in Burghausen gegründeten Theater- und Filmakademie Athanor als Dozentin zu arbeiten. Ich hatte einige Assistenzen bei meinem Vater gemacht und dabei über Jahre hinweg Regie erlernt. Ich hatte mich während meines ganzen Studiums intensiv mit Ästhetik und Schauspieltheorien beschäftigt … Ich dachte also, die Dozentur für Schauspiel wäre ein passender begleitender Erwerb neben der Erstellung meiner Doktorarbeit. Ich zog von München nach Burghausen. Aber dann …
  3. Ab 2000: Der Alte Gutshof wird ein „Zuhause“. An der Athanor Akademie lernte ich meinen späteren Mann Manfred kennen, wir heirateten und wollten unbedingt auswandern. Frankreich war die Idee, Südfrankreich, die Provence. Aber wir fanden nichts Passendes. Ein alleinstehendes Haus sollte es sein, am liebsten alt, und günstig musste es auch sein. Am Tag nach unserer Rückkehr von einer weiteren vergeblichen Suche nach unserem Traumhaus fand ich in der Zeitung das Inserat für „unseren Hof“: Alleinlage, sehr alt (und sehr renovierungsbedürftig), mit über 12 Hektar Land, in Manfreds Heimatdorf Neuburg bei Passau. Wir fuhren hin und waren begeistert: ein riesiger Vierseithof, unter Denkmalschutz, aber seit 15 Jahren unbewohnt und schon von Verfall gezeichnet. Egal! Der Alte Gutshof wurde von 2000 an zuerst ein Renovierungsprojekt und ab 2008 unser Zuhause. Wir bekamen vier Kinder (Elias, Lea, Noam und Rasmus) und leben nun schon 14 Jahre an einem Ort, den ich zum ersten Mal als „Heimat“ empfinde.
Unser Alter Gutshof in Neuburg aus der Vogelperspektive aufgenommen.
Der Alte Gutshof von oben: wie ein sicherer Hafen
  1. 2008: Meine alte neue Liebe sind Pferde. Als Kind hatte ich reiten gelernt, etwa von 8 – 14 Jahren. Aber dann kam das Unbehagen an der rigiden Ausbildung, dem harschen Ton im Unterricht und vor allem am Umgang mit dem Trainingsobjekt Pferd. Es macht einfach keine Freude. Und dann kam die alles auf den Kopf stellende Pubertät und die vielen Umzüge mit ihren Schul-Neu-Eingewöhnungen hinzu. Und dann das Studium und, und, und. Aber: 2008 fand ich Kara, eine Tinker-Stute, im Reitclub Passau. Mit einer Wucht, die ich nicht für möglich gehalten hätte, vollzog sich die Wiederauferstehung meiner alten Liebe zu Pferden. Kara stand zum Verkauf und zog Ende 2008 bei uns am Gutshof ein. Am gleichen Tag kamen Geronimo und Rocco, später auch Luca, ein Tinker-Warmblutmix, dazu. Denn ein Pferd kann nicht alleine leben und 2 sind blöd, wenn nur einer ausreiten will. Wenn aber zwei ausreiten, dann wären bei drei einer allein – also vier! (Für einen wirklich guten Zweck tut Logik ihren Dienst!)
Ich auf meiner Tanker-Stute Kara am Reitplatz am Alten Gutshof.
Kara, die Trinkerin: mit ihr fing alles an
  1. 2014: Zwei getrennte Stränge verflechten sich. Kara war eine Stute mit special effects, ich brauchte Unterricht. Aber normalen Unterricht hatte ich schon mal gehabt und nicht gemocht. Ich entschied mich lieber gleich für eine Trainerausbildung. Während ich weiter an der Akademie arbeitete (erst als Theorie- und Schauspiel-, später auch als Regiedozentin) bildete ich mich immer weiter im Pferdetraining aus und gründete ab 2010 mein erstes Ein-Frau-4 Pferd-Unternehmen: „Kentaur-Pferdetraining“. Als die Akademie 2014 von Burghausen nach Passau umzog, bekam ich eine große Chance. Mein Vater suchte für das Fach „Sensibilisierung“ an der Akademie eine neue Dozentin und ich begann in diesem Rahmen ein spezielles Training für Schauspielschüler zu entwickeln: Pferdetraining und Schauspielunterricht wurden zu „pferdegestützter Sensibilisierung“. Meine beiden Berufe begannen sich zu verknüpfen, sich gegenseitig zu befruchten und zu verändern.
Eine Schauspielschülerin sitzt auf unserem Tinker-Wallach Geronimo und schmiegt ihren Kopf an seinen Hals.
Schauspielschülerin auf unserem Geronimo: Reiten ohne Zügel, nur mit Gewichtshilfen
  1. 2020 – 2021: Die stille Zeit veränderte mich. Die erste Coronawelle 2020 bescherte mir einen abrupten Einbruch in den Einnahmen mit dem Pferdetraining und zugleich Monate bezahlter Freistellung vom Unterricht an der Akademie. Es war keine schlechte Zeit für mich. Es gärte in mir und Vieles begann sich umzuschichten. Meine Trainings mit den Pferden für Kunden und für die Schauspielschüler fehlten mir. Gleichzeitig arbeitete ich intensiver denn je selbst mit meinen Pferden und erprobte einen Weg, der schließlich nicht mehr „Sensibilisierung“ heißen konnte, sondern eher eine Persönlichkeitsentwicklung war. Die Kunden, die bald wieder kamen (und kommen durften), hatten sich auch verändert: es waren immer weniger „Pferdeleute“. Es waren zumeist Menschen, die ihre eigenen Möglichkeiten ausloten und diese mithilfe meines Trainings und der Pferde erweitern wollten. Mein neues Unternehmen entstand: statt „Kentaur Pferdetraining“ hieß es nun „Elma Esrig“, ein Persönliches Präsenztraining und Führungstraining für alle, die sich selbst und andere mittels Kontakt und in Faszination führen wollen.
  2. Anfang 2022: Bühne frei für Vorträge! Nachdem ich erlebt habe, wie glücklich es mich macht, wenn sich getrennte Wege meines Lebens verflechten, war klar: da ist ja noch ein wichtiger Bereich, der unverbunden nebenher läuft. Ich arbeite als Schauspieldozentin mit Leidenschaft am ersten Schritt einer Darbietung, an der Verwandlung eines dramatischen Textes in eine Spielvorlage. Dieser Teil der schauspielerischen Arbeit ist noch unberührt von einer Fiktionalität der Figur oder der Situation. Und diesen ersten methodischen Schritt wollte ich aus der Schauspielerei herauslösen und allen zur Verfügung stellen, die Vorträge oder Reden halten. Wie im Schauspiel auch stellt sich die Frage: Wie wird aus einem fertig vorliegenden Text eine lebendige und mitreissende Darbietung?
Ein rotes Herbstblatt auf grauem Hintergrund. Das Blatt sieht aus wie ein rot geschminkter Mund.
Mein Talisman-Titelbild für Vortragstraining ist ein echter eyecatcher
  1. Anfang 2022: Mein Thema findet mich: Was ist und wie geht Faszination? Und was brachte mir dieser dritte Weg, den ich mit den anderen beiden zusammenführte? Er erzeugte eine wichtige Klärung meiner Mission. Ich bin fasziniert davon, was es heisst, andere zu faszinieren – seien dies Pferde oder Menschen, sei es körpersprachlich durch die persönliche Präsenz oder eben verbal in Vorträgen. Genau das ist es, was mich antreibt: was ist Faszination, kann man Faszinieren „machen“ und wenn ja, wie? Diese Fragen ganz konkret durch mein Training zu beantworten, dann die Menschen zu erleben, die wissen, wie sie es tun können, die die Kompetenz erlangen, andere zu führen und zu begeistern, das ist es, was mich ausmacht.
  2. Frühjahr 2022: Das Online-Abenteuer beginnt. Im Kurs „Kickstart“ von Sigrun erstellte ich meine erste kostenfreie Testversion eines 4-Wochen-Online-Vortragstrainings. „Unvergesslich!“ bekam 37 Anmeldungen. Ich hielt alle 4 Module live (die Q&A Calls sowieso) und konnte die ersten Erfahrungen mit dieser Unternehmensidee sammeln. Die Technik zu meistern war stressig, einiges wird eine Überarbeitung vertragen, aber ich setze diese Arbeit nun zunächst in 1to1-Kursen fort. Vortragstraining ist jetzt fester Bestandteil meines Programms.
Man sieht mich auf dem Compuerbildschirm. Eine Aufnahme aus einem Zoom-Meeting meines ersten Online-Kurses.
Live in die Facebook Gruppe aus dem Zoom-Call des 1. Moduls von „Unvergesslich!“
  1. Heute: Es geht um das Springen … und um das Sein – „Be the difference„! Gerade heute habe ich mein erstes WorkEvent „4for5“ beendet und es kommen die ersten Anfragen für den nächsten Kurs rein. Auf einem Spaziergang vor einigen Wochen aber dachte ich: und was ist an diesem Andere-Faszinieren so wichtig, warum verfolge ich das so unbeirrt? Und nun auch mit Nicht-Schauspielern? Weil der Kern jeden Impacts auf andere an den Kern unseres eigenen Seins führt: „Werde, was du bist“, oder „Man muß immer erst noch auf den Boden springen, auf dem man schon steht!“ Denn dort, im Selbst-Sein, liegt der Ursprung von Präsenz und von Faszination. Dieses Selbst aber nicht nur zu sein, sondern zu handeln, ist entscheidend. Es ist das Springen, das mich und mein Training braucht.
Ein Foto von Elma Esrig von 2021.
Mein „heutiges“ Ich: 53 Jahre alt und noch lange nicht fertig

Your email address will not be published. Required fields are marked

  1. Danke für dein Einblick in deinen Weg. Ich kann mir gut vorstellen, das es nicht immer einfach war so viel umzuziehen. Ich finde Tinker sehr schöne Pferde es war früher immer ein Traum von mir auch mal einen an meinder Seite zu haben.
    Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg
    Alles Liebe
    Natascha

  2. Wow Elma,
    da hast du einen ganz schönen Weg hingelegt – und in deinem Blogartikel spannend zusammengefasst!! Pferde sind super Coaches, unser "Isi" (R.I.P.) war mein Herzenspferd.

    Liebe Grüße
    Manuela

  3. Liebe Elma,

    das klingt unglaublich spannend, was Du machst! Ich habe Deine Geschichte mit Faszination gelesen 😊

    Das Unbehagen mit der klassischen Pferdearbeit kann ich gut verstehen, bzw. kenne es aus eigener Erfahrung.

    Bis bald mal!
    Paula

  4. Liebe Elma
    Ich habe mich atemlos durch deine Lebensgeschichte und die reflektierenden Gedanken dazu gelesen. Was für einen spannenden Weg du gegangen bist!
    Ich wünsche dir weiterhin alles Gute und viel Erfolg mit deinen Projekten.
    Alles Liebe
    Chris

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}