Der Tag beginnt um kurz nach halb acht auf meinem Lieblingsplatz im Innenhof unseres Alten Gutshofs mit einer neuen Kaffeetasse. Meine Freundin Clarissa ist gestern mit ihrem Sohn Elvis aus München zu Besuch gekommen und hat sie mir mitgebracht. Anders als sie (und viele Menschen, die ich kenne) mag ich die Farbe Gelb. Und der Goldrand sorgt dafür, dass ich sie immer von Hand wasche und durch diese Mühe immer lieber gewinne.
Morgenspaziergang im Wald mit Jim. Er muß an Kreuzungen auf mich warten, damit ich Rehe und ahnungslose Jogger mindestens gleichzeitig mit ihm sehe, damit die Rehe Ruhe haben und die Jogger unangesprungen und ungeküsst weiter laufen können.
Schatten – mit und ohne Schattenwerfer. Schon erstaunlich, immer wieder, wie glücklich es einen Hund macht, wenn man ihn anspricht. Als hätten wir immer Geniales zu sagen. In diesem Fall war es: „Schau!“ Und Jim: „Klasse! Kann ich! Wie originell!“
Clarissas Sohn Elvis baut mit Manfred zusammen eine Bank für seinen Balkon. Manfred baut sonst für Kunden wunderschöne Unikate, ganz nach Wunsch und Vorstellung der Auftraggeber. Wer neugierig ist, was ein Möbelbildhauer wie er so anfertigt, kann ja einen Blick hier rein werfen!
Unser Hahn ist alt. Er schläft manchmal mitten auf dem Weg ein und wenn ein Auto kommt, kriegt er das nicht mit. Man muss aussteigen und ihn bitten, den Weg frei zu geben. Er sorgt gut für seine Hühner und ruft sie herbei, wenn er etwas besonders Gutes zu Fressen entdeckt hat. Und er ist sanftmütig, weise – ein echter Gentleman. Hier ruht er in einem kleinen Sonnenfleck, den eine offene Innenhoftür gezaubert hat.
Clarissa, Elvis und Manfred machen Pause am großen Tisch im Innenhof. Dort spielt sich im Sommer das Familienleben ab: wir essen und pausieren, die Hühner finden Schatten auf und unter dem Tisch, die Katzen liegen auf dem warmen Holz und die Kinder dahinter in der Hängematte.
Clarissa schaut den Männern beim Bank-Bauen zu. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und haben gemeinsam fürs Abi gelernt. Dann haben sich unsere Wege für 30 Jahre getrennt. Seit letztem Jahr nun wiedergefunden, einander über die wichtigsten Ereignisse informiert, festgestellt, dass zwischen uns alles beim Alten ist und … weitergemacht, wo wir stehengeblieben sind.
Trainingsstunde für Kundin Biggi mit Andrej. Eigentlich wollten wir im Roundpen arbeiten, aber es war heiß, die Pferdebremsen kosteten auch uns und wir sind in die Halle geflüchtet. Andrej war sichtlich froh über diesen Tapetenwechsel und genoss die kühle Dämmerung.
Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich Andrej liebe? Er ist mit seinen 900kg (vorsichtig geschätzt) ein wunderbar feinsinniges Wesen. Während Biggi seine Bremsenstiche kratzt, will er sich revanchieren und bearbeitet – nur mit der Oberlippe – Biggis Oberarm, damit sie es auch gut hat.Die Bank ist am frühen Abend fertig und steht abholbereit in Manfreds Werkstatt. Jim ist immer da, wo ich bin. Das ist das Schöne an Hunden: sie stalken einen und ich für meinen Teil liebe das. Ich weiß, manche sagen, das sei Zeichen von Unsicherheit oder gar Kontrolle. Aber in Jims Fall – er ruht in sich wie eine Kuh – ist das die feste Überzeugung, dass all meine Wege auf einer Spitzenidee beruhen. Es ist herrlich dämlicher Enthusiasmus!
Wir sind enorm unterschiedlich, äußerlich wie innerlich. Wie herrlich, dass wir uns trotzdem – oder gerade deswegen? – verstehen. Clarissa findet, ich arbeite zu viel und sorge mich zu oft. Ihre Perspektive öffnet meinen Horizont und auch wenn ich weiter viel arbeite und mir Sorgen mache, weiss ich doch zumindest, dass es nicht sein müsste, sondern – auf eine Art – meine Entscheidung ist.
Letzter Moment abends bevor wir Abendessen und ich mich an den Computer setze. Heute wartet noch Büroarbeit auf mich, aber als erstes: mein 12von12. Ich bin ein wenig müde, wie so oft in letzter Zeit. Clarissa und Elvis sind wieder auf dem Weg nach München, alle Tiere sind versorgt und irgendwann bin ich mit Buch im Bett.
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Was für ein herrliches 12 von 12!